Anfang des Jahres wurde bekannt, dass Ilia Kovtun die kroatische Staatsbürgerschaft beantragt hat. Nun hat sich der 21-Jährige selber dazu geäußert. Kovtun hatte für die Ukraine seit 2021 viele Erfolge errungen. WM-Bronze im Mehrkampf 2021, WM-Silber im Mehrkampf 2023. 2024 gewann er bei der EM in Rimini drei Goldmedaillen und in Paris Silber am Barren.

Als Russland im Februar 2022 die Ukraine überfiel, weilte Kovtun zum Turnier der Meister in Cottbus. Er war seitdem nicht mehr in der Ukraine. Mittlerweile lebt und trainiert er im kroatischen Osijek, das für ihn zur zweiten Heimat geworden ist. Er spricht fließend Kroatisch, laut kroatischen Medien sogar mit einem Osijekakzent und hat dort eine Freundin. Immer an seiner Seite Trainerin Irina Gorbacheva, auch sie hat die kroatische Staatsbürgerschaft beantragt.

Beim Weltcup in Osijek war Kovtun nicht am Start, er wartet noch auf den Erhalt der Staatsbürgerschaft. „Es ist schwer vorstellbar, dass der ganze Papierkram im Laufe des Jahres 2025 erledigt sein wird“, sagte er der kroatischen Zeitung Glas Slavonije. „Aber ehrlich gesagt ist mir das egal, denn die letzten drei Jahre waren sehr anstrengend. Ich habe 25-28 Wettkämpfe im Jahr absolviert und kann mich jetzt vor allem von meinen Schulterproblemen erholen.“

Kovtun stammt aus Tscherkassy, wo er im Alter von drei Jahren mit dem Turnen begann. Sein Vater lebt bereits seit 13 Jahren in Polen, seine Schwester ist seit sieben Jahren dort und seine Mutter wird demnächst folgen. Er habe sich aus mehreren Gründen für den Wechsel entschieden, nicht nur der Krieg war ausschlaggebend. „Natürlich fühle ich eine gewisse moralische Verpflichtung gegenüber den Menschen in Osijek. Sie haben mich hier aufgenommen, ich habe praktisch mit ihnen hier gelebt, bei Sokol [dem Verein] geschlafen, trainiert und gegessen. Als ich die olympische Medaille gewann, hatte ich das Gefühl, dass sich die Leute hier mehr darüber freuten als in der Ukraine.“

Seine Entscheidung für den Wechsel brachte ihm in der Ukraine teils harsche Kritik ein, was ihn am Anfang belastet habe. Mittlerweile sieht er es etwas anders. „Ich denke, das ist alles eine normale Reaktion. In der Ukraine herrscht Krieg, die Menschen haben größere Probleme und sind deswegen ziemlich aggressiv geworden, weil es nicht einfach ist, ständig unter Stress zu leben, wenn man jeden Tag sein Leben verlieren kann. Viele Leute haben mich unterstützt. Ich verstehe beides. Ich habe mein eigenes Leben und entscheide darüber, damit es mir auch in Zukunft gut geht.“

Um international für Kroatien starten zu können, reicht nicht nur der Pass. Der Wechsel muss zudem von der FIG-Exekutive genehmigt werden. Damit er sofort startberechtigt ist, muss er vom ukrainischen Verband freigegeben werden. Gibt ihn die Ukraine nicht frei, wäre Kovtun erst nach einem Jahr für internationale Wettkämpfe startberechtigt. So erging es etwa Gymnastin Anastasia Simakova bei ihrem Wechsel nach Deutschland. Da der russische Verband dem Wechsel zum DTB nicht zugestimmt hatte, durfte Simkova erst nach einem Jahr international für Deutschland starten.

Seine sportliche Zukunft sieht Kovtun weiterhin im Mehrkampf. Er war noch nie Weltmeister oder Olympiasieger. „Ich habe große Lust, dies im Mehrkampf zu erreichen. Ich weiß, wie schwierig es ist und wie viel Wert es im Turnen hat. Für den Außenstehenden ist eine Medaille an einem Gerät jedoch dasselbe wie eine Medaille im Mehrkampf. Für mich hat jedoch eine Medaille im Mehrkampf den größeren Wert.“

Avatar von Leonie GymNews

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