Andrej Rodionenko, langjähriger Cheftrainer der russischen Turnerinnen und Turner, verlässt diesen Posten. Der 82-Jährige wirkt jetzt als Berater des russischen Verbandspräsidenten Oleg Belozerov. Zu seinem Nachfolger wurde von Sportminister Michail Degtarov der 47-jährige Dmitri Andreev ernannt.

„Es sind Profis wie Andrej Fjodorowitsch (Rodionenko), die den Grundstein für die erfolgreichen Leistungen der Sportler der Nationalmannschaft legen“, lobte der Verbandspräsident seinen neuen Berater in einer Pressemitteilung. „Das beweist er seit vielen Jahren mit den Ergebnissen unserer Athleten bei den größten internationalen Wettkämpfen. Eine Erfahrung wie die seine ist immer einzigartig und sollte natürlich für die weitere Entwicklung unseres Kunstturnens genutzt werden.“

Rodionenko wurde mit dem Wunsch zitiert, dass „das russische Kunstturnen seine führende Position weiter ausbaut und auf der Weltbühne unter den anderen Nationalmannschaften den Ton angibt. Dafür haben wir immer gearbeitet, und ich möchte mit meinem Wissen und meinen Fähigkeiten dazu beitragen, dass unsere Turner auch in Zukunft auf höchstem Niveau erfolgreich sind.“

Rodionenko blickt auf eine beeindruckende Trainerkarriere in mehreren Ländern und Systemen zurück. In den 1970er-Jahren war er Cheftrainer der sowjetischen Nachwuchsturner, ab 1981 Cheftrainer der sowjetischen Frauen. Nach dem Zusammenbruch der UdSSR ging er nach Australien, wo er bis 1997 arbeitete. Ab 1998 war er der Cheftrainer der kanadischen Turnerinnen. 2005 kehrte er nach Russland zurück und wirkte seitdem als Cheftrainer aller russischen Turnerinnen und Turner.

Andreev, Kampfrichter mit Brevet Kategorie 1, war bereits im Technischen Komitee Männer von European Gymnastics und im letzten Zyklus im Technischen Komitee Männer der FIG. Beim Kongress in Doha 2024 verpasste er die Wiederwahl und kandidiert nun beim Kongress von European Gymnastics im November in Prag erneut für das TK Männer.

Neuer Turnverband

Der Trainerwechsel ist nicht die erste tiefgreifende Veränderung im russischen Turnen in den letzten Monaten. Im Herbst waren die bis dato unabhängigen Verbände für die einzelnen Sportarten wie etwa Trampolin oder RSG zu einem Gesamtverband zusammengeführt worden. Zum Präsidenten des neuen Verbandes wurde mit Oleg Belozerov der Chef der russischen Eisenbahn gewählt. Belozerov steht wegen des Krieges gegen die Ukraine auf den Sanktionslisten der USA und des Vereinigten Königreichs. Im Februar 2025 wurde die langjährige Cheftrainerin der Rhythmischen Sportgymnastik, Irina Viner, abgelöst. Zwischen Viner und ihrer ehemaligen Stargymnastin Alina Kabaeva war es nach Medienberichten zu Rivalitäten gekommen.

„Ich danke dem russischen Sportministerium und dem russischen Turnverband für ihr Vertrauen“, wurde der neue Cheftrainer vom Pressedienst des Verbandes zitiert. „Es ist eine große Ehre und eine große Verantwortung, vor allem gegenüber dem Land. Wir haben sehr talentierte Athleten und das Team hat ein sehr gutes Potenzial, um auf jedem Niveau zu gewinnen. Und um unsere Ziele zu erreichen, müssen wir die Anstrengungen aller Beteiligten – Athleten, Trainer und Mitarbeiter – vereinen.“

Absurdes Theater um Rückkehr auf die Weltbühne

Ob und wann die russischen Turner*innen wieder ihre internationalen Ziele erreichen, ist allerdings weiter unklar. Ihre letzten relevanten internationalen Wettkämpfe liegen immerhin schon über drei Jahre zurück. Das Hin und Her der russischen Seite um die Rückkehr auf die internationale Bühne hat mittlerweile absurde Züge angenommen.

Mit dem Beginn des russischen Angriffskrieges auf die Ukraine im Februar 2022 wurden sie zunächst international gesperrt. Seit Anfang 2024 sind sie als Neutrale bei FIG-Wettkämpfen startberechtigt. Auch eine Qualifikation für die Olympischen Spiele in Paris wäre für Einzelstarter*innen möglich gewesen. Der Verband lehnte dies jedoch ab, da man die Bedingungen für den Erhalt des neutralen Status als erniedrigend und unfair empfand. Im März dieses Jahres folgte dann eine überraschende Wende – der russische Verband hatte für 100 Personen neutralen Status beantragt und nach der Freigabe durch die FIG auch für einige Weltcups gemeldet. Kurz vor der Abreise zum ersten Wettkampf dann eine weitere Kehrtwende: Aus Protest gegen die Ablehnung einiger Anträge, unter anderem dem von Viktoria Listunova, zog man die Teilnahme zurück.

Am 11. Juni gab der Verband dann plötzlich in einer weiteren Pressemittelung bekannt, man werde nun doch an internationalen Wettkämpfen. etwa am Challenge Cup in Paris im September, teilnehmen. Valentina Rodionenko, Ehefrau von Andrej und ebenfalls Verbandstrainerin, erklärte letzte Woche in einem Interview, man habe mit sechs Turnern und vier Turnerinnen das Maximalaufgebot für die Turn-WM im Oktober in Jakarta gemeldet.

In seiner Sitzung am 9./10 Juli in Lausanne befasste sich das Exekutivkomitee der FIG erneut mit der Zulassung von Sportler*innen aus Belarus und Russland und nahm einige Änderungen am Reglement vor. Unter anderem wird es abgelehnten Sportler*innen möglich sein, erneut einen Antrag zu stellen.

Der russische Verband erklärte prompt per Pressemitteilung, es sei russischen Sportler*innen nun auch möglich, in Gruppen- und Mannschaftswettbewerben an den Start zu gehen. Bisher sind sie nur als Einzelstarter*innen zugelassen. Die Bestätigung hierfür von der FIG steht allerdings noch aus, in der offiziellen Mitteilung über die Ergebnisse der Sitzung der Exekutive steht davon jedenfalls nichts.

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2 Antworten zu „Wechsel in Russland”.

  1. Avatar von Regeln für Russland gelockert – LeonieGymNews

    […] russische Verband, in dem es in den letzten Monaten einige Umwälzungen gab, hat für die WM in Jakarta die maximale Anzahl von sechs Turnern und vier Turnerinnen […]

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  2. Avatar von Russland zurück in Europa – LeonieGymNews

    […] WM in Jakarta als D2 am Boden eingesetzt, wurde nicht ins Technische Komitee der Männer gewählt. Andreev löste im Sommer Andrei Rodionenko als russischer Cheftrainer ab und war im letzten Zyklus im Technischen Komitee Männer der FIG und davor bereits im Technischen […]

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